Seit meinem Coming-Out als Asexuelle vor vier Monaten hat sich einiges verändert.
Einerseits bei mir selbst. Ich hatte seitdem tatsächlich fast gar keinen Sex mehr - nur noch am Anfang ein, zwei Mal mit Kilian, und das war es dann für die ganze Zeit. Nachdem ich ja vor einem Jahr, als ich Kilian kennenlernte, für meine Verhältnisse plötzlich sehr viel Sex hatte, wurde es danach langsam wieder immer weniger. So wenig, dass Kilian das "wir sind zusammen"-Label irgendwann nicht mehr als passend empfand und unsere Beziehung zur Freundschaft umbenannte. Was aber nichts Grundsätzliches geändert hat, denn alle Veränderungen sind und waren sehr fließend - weshalb ich ja mit diesen willkürlichen Kategorien eh nichts anfangen kann.
Nun ja, ich schweife ab... jedenfalls habe ich wahrscheinlich mit dem Coming-Out mir selbst gegenüber auch erstmal all die gesellschaftlichen Erwartungen abgelegt, die einem als vermeintlich nicht asexueller Mensch so eingeredet werden und die ich natürlich auch in mir drin hatte. Und so wie ein Pendel, was erstmal in die Gegenrichtung ausschwingt bevor es zur Ruhe kommt, habe ich in der ersten Zeit innerlich alles von mir gewiesen was mit Sex zu tun hatte. Ich habe mich in dieser Zeit auch mit einigen Leuten getroffen, mit denen ich vorher schon sexuelle Intimität geteilt hatte, und mit denen aber auch "nur" gekuschelt.
Ich denke, das war für mich vielleicht nötig, um zu überprüfen, ob mein neues Label auch wirklich passend ist - und dazu habe ich es erstmal in einer extremeren Form ausgelegt als eigentlich passend.
Auch bei den Leuten, die mich schon kannten oder mich in letzter Zeit kennengelernt haben, habe ich damit einen Eindruck erweckt, der sozusagen ein übertriebener Gegensatz zum vorherigen Bild (eben dem der Bisexuellen, die ja so frei und oft ihre Sexualität auslebt) geworden ist.
Nun merke ich, wie das metaphorische Pendel sich zurück in die Mitte bewegt und ich mir selbst damit hoffentlich wieder ein Stück näher komme, nachdem ich erstmal etwas über das Ziel hinausgeschossen war.
Es gibt nämlich gerade einige Menschen, bei denen ich am Liebsten die Zeit zurückdrehen würde, um ihre falsche Einschätzung eher vorgestern als heute zu korrigieren, weil ich befürchte (oder weiß), dass sie mich für "unschuldiger" halten als ich tatsächlich bin.
Also merke ich leider auch direkt die negativen Folgen von diesem anfänglichen Übertreiben...