Wie gestern schon erwähnt, ist die Beziehung zu Kilian eine große Herausforderung für mich.
Ich bin etwas erschrocken darüber, wie leicht und schnell das Weltbild, was ich mir im Laufe des letzten Jahres aufgebaut habe, durch ihn erschüttert wurde.
Mit Kilian hatte ich zum ersten Mal das, was ich bisher nur vom Hörensagen aus diversen Poly-Gruppen kannte: nach ein paar Tagen des Kennenlernens ein Gespräch darüber, wie wir uns die Zukunft unserer Beziehung vorstellen. Es ging von ihm aus, und anstatt dass ich (wie ich vorher wohl geschätzt hätte) aus Angst vor dem Festlegen-müssen direkt Panik bekommen habe, fühlte ich mich sogar noch eher geliebt und angenommen, und konnte es als einen Ausdruck von ehrlichem Interesse, Respekt und großer Zuneigung sehen.
Kilian kommt aus einer seriell-monoamoren Welt. Er hat zwar schon erzählt, dass er die klassischen binären Schubladen schon manchmal hinterfragen musste, weil sie auch in seinem Leben nicht immer gepasst haben. Und er sagte auch zu mir, dass er wahrscheinlich gar nicht so offen für mich gewesen wäre, wenn er nicht erfahren hätte, dass ich polyamor bin, und deshalb kein Problem damit habe, dass er auch noch in eine andere Frau verliebt ist.
Aber das, was er mir als Idealvorstellung beschrieben hat, befindet sich doch eher am anderen Ende des polyamoren Spektrums - viel fester, definierter und weniger offen als die von mir favorisierte Beziehungsanarchie.
Da bröckelt der erste Stein meines Weltbildes, mit beeindruckender Geschwindigkeit.
Bisher habe ich gedacht: wenn jemand etwas unflexibles, einschränkendes, gar exklusives mit mir will - dann kann ich den eh gar nicht mehr so attraktiv finden. Kilian beweist mir mit wehenden Fahnen das Gegenteil.
Ich sehe die Beziehungsanarchie immer noch als Idealbild an - in meiner persönichen Utopie einer Gesellschaft würden alle Menschen nach diesen Werten leben. Aber ich denke jetzt: so lange es halt nicht meine utopische Welt ist, kann es manchmal schon sinnvoll sein, von der idealtypischen Umsetzung abzuweichen. Um es einem Menschen leichter zu machen, der mir jetzt, nach nichtmal zwei Wochen, doch schon so viel bedeutet.
Irgendwo in der Mitte zwischen fest definierter, geschlossener RZB und völlig offener anarchistischer Beziehung liegt der Weg, den ich mit Kilian zusammen gehen kann. Die Herausforderung ist jetzt, diesen Weg zu finden. So, dass wir beide damit glücklich sein können, ohne das Gefühl zu haben, nicht mehr wir selbst zu sein. Einfach wird das wahrscheinlich nicht. Aber ich bin überzeugt davon, dass es sich lohnt - denn wir tun uns gegenseitig so viel gut, dass der Weg zusammen schöner sein wird als der jeweilige, einfachere Weg für uns alleine. Und ich werde sicher viel dabei lernen.
So als diffuses Gefühl sehe ich schon, wie sich langsam ein neues Weltbild aufbaut. Es ist immer noch sehr voll von Liebe und Freiheit, aber es ist weniger streng in seiner Radikalität. Wie es in weniger diffuser Form aussieht, wird die nächste Zeit zeigen. Vielleicht komme ich dann noch dazu, einzelne Aspekte näher zu beleuchten.
Im Moment ist es noch ein etwas verwirrender Wirbel aus verschiedenen Fragen, zu viel auf einmal um es komplett zu sortieren. Aber ich bin glücklich verliebt und gespannt auf das Abenteuer, den richtigen Weg zu finden...
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