Mittwoch, 25. Juni 2014

Romantisch, unromantisch, aromantisch, WTFromantisch?

Anlässlich einer der zahlreichen Diskussionen darüber, ob man als Beziehungsanarchist*in die eigenen Beziehungen noch in verschiedene Kategorien ("freundschaftlich", "romantisch", "sexuell", etc.) einteilen dürfe oder nicht, habe ich mich mal wieder durch einige englische Blogbeiträge zu dem Thema gelesen. Es scheint kein klarer Konsens darüber zu herrschen, und Andie Nordgren selbst habe ich noch nicht erreicht, um sie nach ihrer Meinung zu fragen.
Für mich selbst macht diese Kategorisierung einfach überhaupt keinen Sinn, und ich habe (vielleicht deswegen) auch Andies Texte immer in dieser Art interpretiert... es scheint aber auch Menschen zu geben, die gefühlsmäßig klar zwischen freundschaftlicher und romantischer Liebe differenzieren können, aber trotzdem nach allen Werten der Beziehungsanarchie leben wollen und diese auch als deutlich unterschiedlich zur nichthierarchischen Polyamorie wahrnehmen.

Nun bin ich beim Blog-Stöbern auf einen Artikel von The Thinking Asexual gestoßen, der mir einen neuen Gedankengang beschert hat. Der Autor differenziert zwischen "romantischen" und "aromantischen" Personen - wobei letztere eben diejenigen sind, die keine romantische Liebe/Anziehung empfinden können, aber durchaus andere Arten von emotionaler Anziehung. Da ich mir nicht vorstellen kann, wo zwischen verschiedenen Arten von emotionaler Anziehung der Unterschied sein soll - könnte es vielleicht sein, dass ich das, was andere als "romantisch" beschreiben, einfach gar nicht kenne?

Ich wäre vorher nie auf die Idee gekommen, mich selbst als aromantisch zu beschreiben - und hatte, obwohl ich dieses diffuse Gefühl nicht mit Worten beschreiben kann, doch immer den Eindruck, sowas wie romantische Anziehung empfinden zu können. Allerdings, um das Verwirrspiel mal umzudrehen, gewissermaßen für alle Leute, die ich mag. Was dann auch wieder die Unterscheidung zwischen freundschaftlichen und romantischen Gefühlen aufhebt.

Laut dem verlinkten Artikel falle ich damit vermutlich in die Kategorie der "WTFromantiker":

WTFromantic” is a term coined in the asexual community out of frustration with the whole “What is romantic attraction and how is it different from emotional attraction?” mystery. It basically describes people who can’t tell the difference between romantic attraction and nonromantic emotional attraction at all, not even enough to say “I’m definitely aromantic” as opposed to “I’m definitely romantic.” The whole concept of romantic attraction/love vs. nonromantic feelings/friendship just doesn’t compute to WTFromantic people, so they give up trying to figure it out and put themselves in an aromantic or romantic identity box.

Was das jetzt für mich bedeutet, das weiß ich noch nicht so recht... denn ich kann mich weder mit den "normal romantischen" Menschen identifizieren, die einen deutlischen Unterschied zwischen romantischer und anderer emotionaler Anziehung kennen, noch mit den "aromantischen", die gar keine romantischen Gefühle kennen oder sie nicht haben wollen. Schon wieder so ein binäres Schubladensystem... die sind einfach nicht mit meinem Kopf kompatibel. Aber ich finde das Wort "WTFromantisch" jetzt auch nicht schön genug, um daraus eine dritte Schublade bauen zu wollen.

Also weitergestöbert. Und diese Beschreibung von aromantischer Liebe/Freundschaft gefunden... das mit dem nicht "daten" wollen kann ich total nachvollziehen. Und besonders dieser Teil hat mich sehr angesprochen:

But friendship–no matter what kind it is: normative best friendship, passionate friendship, romantic friendship, queerplatonic friendship–is: “Who are you? I think I like you. Now I know you more. I like you more. Now I know you more. I like you more. You’ve changed. Who are you now? I know you again. I like you again. I know you more. I love you. I know you more. I love you. I just saw you in a new way. Still love you.”
If I meet someone new and we become friends, I may not know that our friendship is going to be queerplatonic or sensual or a passionate friendship/domestic partnership for a long time. I may be friends with someone for months or years and not expect them to be someone I have a deep, loving, intimate, significant relationship with, and then suddenly, the friendship starts to transform. I may be friends with my future domestic partner(s) for years without realizing they’re the right ones, and then it gradually dawns on us or takes a sudden turn in a more serious direction. At no point can I really write off a close friend as a potential domestic partner or passionate friend or queerplatonic friend or whatever because at no point does it become “too late” for a friendship to develop into something deeper, more serious, or more loving. It’s possible to meet someone and know instantly that you really want to be close friends with them and that you both feel a strong emotional click or chemistry, but even in those situations, actually becoming friends takes time.

Was "more serious" bedeuten soll weiß ich nicht so recht. Und ich habe etwas Schwierigkeiten, anzunehmen dass sich eine Freundschaft nicht doch auch sehr schnell entwickeln kann. Aber vermutlich hat der Autor nur einen minimal anderen Begriff von Freundschaft. Ab wann man eine auf freundschaftlichen Gefühlen basierende Beziehung (die ja quasi sofort ab dem Moment existiert wo man diese Gefühle hat und einander irgendwie kennt) auch als "Freundschaft" bezeichnen kann... das ist wieder so ein schwammig-fließender Übergang, dass ich mir denke: das brauch ich nicht zu definieren.

Und abgesehen davon (und dass ich nicht asexuell bin) kann ich mich sehr gut mit dem identifizieren, was er da schreibt. Bin ich nun also doch aromantisch? Ich glaube, ich muss mich noch mehr mit diesem Begriff und der dazugehörigen community auseinandersetzen, bevor ich das wirklich weiß. Bisher sind da doch noch viele Assoziationen von "nee, ich bin doch nicht unromantisch. Ich mag doch Kerzenlicht und Spaziergänge unterm Sternenhimmel und sowas..." in meinem Kopf.

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