Donnerstag, 13. März 2014

Von "Geben und Nehmen" und Erwartungen


(Bild: BlairSnow)

 "Eine Beziehung ist immer ein Geben und Nehmen."

Diesen Satz hört man oft, wenn jemand über Schwierigkeiten in einer Beziehung spricht. Aber ich möchte dem widersprechen.

Manche Beziehungen basieren tatsächlich auf "Geben und Nehmen", auf dem Austausch von gegenseitigem Nutzen - die nennt man dann Geschäftsbeziehung.
Aber viele Menschen sagen das auch, wenn sie Beziehungen meinen, die auf Sympathie, auf Emotionen aufbauen (also Liebe, Freundschaft, oder wie auch immer man es nennen will). Und ich sage:

Liebe ist kein Tauschgeschäft.

Im Idealfall sieht eine emotionale Beziehung nach Außen hin tatsächlich so aus, als sei sie ein "Geben und Nehmen" - beide beteiligten Personen tun dem Anderen gut, so dass beide durch diese Beziehung glücklicher sind. Bei genauerer Betrachtung allerdings kommt in diesem Idealfall gar kein Nehmen vor, sondern das Prinzip ist "Geben und Geben" - jeder gibt dem Anderen etwas, und dieser freut sich darüber.
Das Problem beim Nehmen ist nämlich, dass man damit die Wahlfreiheit des Anderen, was er einem geben möchte, missachtet. Nehmen bedeutet: ich erwarte, dass du mir etwas Bestimmtes gibst, und wenn ich das nicht bekomme bin ich unzufrieden. Und solche Erwartungen sind nur für Eines zu gebrauchen - um denjenigen unglücklich zu machen, der sie hat.

Sätze wie oben mit "Geben und Nehmen" hört man meist von Leuten, die das Gefühl haben, dass sie sehr viel geben und dafür (zu) wenig zurück bekommen. Ich würde demjenigen dann raten:

Überlege dir, warum du gibst. Gibst du, weil es dir Freude macht, zu geben? Weil du dein Glück mit jemandem teilen möchtest; weil du dich daran erfreuen kannst, dass der Andere sich freut? Dann ist alles bestens, und ich frage mich wo du darin ein Problem siehst.
Oder gibst du, weil du dir damit den Anspruch erkaufen willst, etwas Bestimmtes zurück gegeben zu bekommen? Dann hast du Erwartungen. Und Erwartungen tun niemandem gut, weder dir noch dem Menschen, den du liebst.
Wenn deine Erwartungen erfüllt werden, nimmst du das für selbstverständlich, anstatt dich darüber freuen zu können, was dir gegeben wird. Und wenn sie nicht erfüllt werden, bist du unglücklich weil du dich ungerecht behandelt fühlst.

Bei Erwartungen gibt es zwei mögliche Ergebnisse: neutral (= Erwartung erfüllt) oder unzufrieden (= Erwartung nicht erfüllt). Glücklich sein kannst du damit in keinem Fall.

Wenn du aber keine Erwartungen, sondern höchstens Wünsche hast, kannst du dich über jedes Mal freuen, wenn der Andere dir etwas gibt - also gibt es nun die Möglichkeiten "neutral" (= Wunsch nicht erfüllt) oder "erfreut/glücklich" (= Wunsch erfüllt bzw. unerwartet etwas bekommen)

Also lass die Erwartungen lieber sein. Und gib nur das, was du von dir aus geben willst. Einfach so, weil es dir Freude macht - ohne etwas zurück bekommen zu wollen. Wenn du es schön findest, zu geben, dann ist es egal ob du dafür etwas zurückbekommst. Und wenn du denkst "aber ich möchte auch etwas dafür bekommen", dann machst du einen Fehler - du gehst davon aus, bestimmen zu dürfen, was der Andere dir geben (wollen) soll. Du kannst niemanden zwingen, etwas zu wollen. Und jemanden zwingen, etwas zu tun was er nicht will - nun, dass das keine gesunde Beziehung ist, erklärt sich von selbst.*

Ich möchte noch dazu sagen, dass man natürlich trotzdem Wünsche oder Bitten äußern darf. Ich sage nur: man darf nicht erwarten (also sich einen Anspruch darauf einbilden), dass sie erfüllt werden. Darüber zu reden, was man gerne mag, und um Hilfe zu bitten wenn man Hilfe gebrauchen kann, das tut einer Beziehung sogar gut.

Nun habe ich, wenn ich über Keine-Erwartungen-Haben geredet habe, schon öfter zu hören bekommen: "Aber du hast doch auch Erwartungen. Zum Beispiel erwartest du, dass man ehrlich und respektvoll zu dir ist und keine Erwartungen hat."
Das stimmt natürlich. Wenn man das Wort "Erwartungen" so allgemein betrachtet, hat jeder Mensch welche. Allerdings ist dabei ein wichtiger Unterschied zu beachten: Die Erwartung, dass Menschen ehrlich miteinander (also auch mit mir) umgehen etc., ist eine ganz allgemeine. Die gilt für alle Menschen gleich und hängt nicht davon ab, in welcher Beziehung sie zu mir stehen. Das ist also mehr so eine Art ethisches Grundprinzip. Die Art von Erwartungen, die ich nicht haben möchte (und auch allgemein nicht sinnvoll finde), sind diejenigen, die man daraus ableiten könnte, eine "besondere" emotionale Beziehung zu haben. Oder daraus, dass man jemandem etwas gibt - solange man keine vertraglich vereinbarte Geschäftsbeziehung hat.


*) Bevor jetzt jemand empört ruft "willst du etwa unsere BDSM-Spielpartnerschaft als ungesund hinstellen?":
Bei BDSM-Spielen stimmen die Teilnehmenden dem "Zwang" ausdrücklich zu, und damit geht es ja nicht tatsächlich um "gegen den Willen". Das Wort "consensual" wird ja zum Glück gerade in dieser Szene (meistens) sehr ernst genommen.

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9 Kommentare:

  1. Ich hatte mit dir schon mal über dieses Thema geredet und muss sagen, dass ich noch nie so deutlich verstanden habe, wie du Erwartungen definierst. Der Satz

    "Die gilt für alle Menschen gleich und hängt nicht davon ab, in welcher Beziehung sie zu mir stehen. Das ist also mehr so eine Art ethisches Grundprinzip."

    trägt meiner Meinung nach die wichtigste Aussage dieses Eintrages. Da werde ich mir in den nächsten Tagen Gedanken zu machen! :)

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    1. Freut mich, dass es damit für dich verständlicher geworden ist.

      Die "allgemeine Erwartung", also das was ich als ethischen Grundwert bezeichne, von dem abzugrenzen, was ich meine wenn ich "Erwartung" sage, ist schon wichtig. Denn leider ist das Wort "Erwartung" ansonsten ein Nährboden für unabsichtliche Missverständnisse und absichtliche Wortklaubereien. Und mir geht es schließlich um die Botschaft die dahintersteckt, nicht um das Wort an sich.

      Bin gespannt auf deine weiteren Gedanken dazu :)

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  2. "PokéMaster" Matthias17. März 2014 um 22:43

    Auch bei normalen Partnerschaften stimmt man dem Zwang zu. Das geschieht zwar leider bei den meisten nicht so bewusst, wie es gut wäre, aber deswegen ist es noch nicht recht, diese Vereinbarungen absolut schlechtzureden. Ich finde, Du siehst das hier erneut zu absolut, obwohl ich Dir darin zustimme, dass man viel bewusster und kritischer mit diesen Verpflichtungen umgehen sollte.

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    1. Wirklich dem Zwang, etwas zu tun was man nicht will? Ich habe den "Zwang" im BDSM-Beispiel bewusst in Anführungszeichen gesetzt, da es ja nichts ist was wirklich gegen den Willen geht - sondern eigentlich dem Willen entspricht, und man nur vereinbart, einen Zwang zu spielen.
      Einem wirklichen Zwang sollte man niemals freiwillig zustimmen, und erst recht nicht aus einer Beziehung heraus, wo es um Liebe geht, denke ich.

      Eine Vereinbarung hingegen ist ja auch kein Zwang, sondern etwas was beide wollen - das ist ja in Ordnung. Wenn man das Vertragsmäßig festlegt, wird eben aus diesem Aspekt eine Geschäftsbeziehung. Das ist manchmal auch nötig zwischen Menschen, die auch eine Beziehung aus Liebe führen. Zusätzlich. Zum Beispiel wenn zwei Menschen zusammen wohnen, und vereinbaren, dass Einer immer die Hälfte der Miete auf das Konto des Anderen überweist. Dann haben sie in diesem Fall eben eine Untermiet-Geschäftsbeziehung, die mit dem praktischen Aspekt des Zusammenwohnens zu tun hat und unabhängig von der emotionalen Beziehung ist.

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  3. Kennst du eigentlich das Buch Ich liebe dich gerade von Robert Heeß? Der spricht dir aus der Seele.

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    1. Nein, das kenne ich noch nicht. Danke für den Tipp!

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  4. Ich finde den Artikel richtig gut. Man sieht du hast dir viele Gedanken darum gemacht. Mir fällt auf, dass das Wort Erwartungen eine große Rolle spielt und ich denke verstanden zu haben, wie du das meinst. Ich persönlich empfinde Erwartungen erstmal nicht schlimm, bzw. sehe bestimmte Erwartungen nicht als Zwang sondern wie du es schon angemerkt hast, als Wünsche. Viel "dramatischer" in seiner Ausprägung auf Partnerschaft und andere Beziehungen sind Ansprüche. Da sitzt für mich der Zwang den du beschrieben hattest.

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    1. "Ansprüche" ist noch ein deutlicheres Wort für das, was ich mit Erwartungen meine. Vielleicht ist es auch noch eine Steigerung davon: man macht nicht nur sich selbst unglücklich, sondern auch noch den Anderen dafür verantwortlich.
      Du verwendest das Wort "Erwartung" wohl auch für das, was ich "Wunsch" nenne, um es eben von Erwartungen abzugrenzen. Leider sind die Worte im allgemeinen Sprachgebrauch nicht so klar definiert, deswegen ist es schwer, auszudrücken, was ich damit meine. Hier mal noch ein Artikel, der den Unterschied auch gut erklärt, wie ich finde: http://www.asaekante.de/?p=465

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  5. Danke!!! Endlich mal jemand, der dieses hohe Ziel, keine Erwartungen zu haben, in's rechte Licht rückt. Ich habe viel nachgedacht und an mir gearbeitet und bin bei diesem Thema immer an meine Grenzen gestoßen. Keine, absolut keine Erwartungen zu haben würde für mich vor allem auch bedeuten, sich selbst aufzugeben. Wenn ich nicht erwarten dürfte bzw den Anspruch haben dürfte respektvoll behandelt zu werden, dann müsste ich eigentlich alles, was andere mit mir machen, über mich ergehen lassen - und das wäre gefährlich! Danke für die Relativierung, die ich so noch nirgends gelesen hab! LG Nadine

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