Donnerstag, 10. Oktober 2013

Was bisher geschah - Meine Geschichte


(Bild: Andrea Silva)

Ich war ein Spätzünder. Nachdem ich jahrelang in meiner Jugend kein Glück mit Freundschaften und den von mir angehimmelten Jungs hatte, habe ich irgendwann beschlossen, mir jetzt erstmal weitere Enttäuschungnen zu ersparen und an mir selbst zu arbeiten bevor ich wieder auf die Suche gehe.

Kaum hatte ich das gesagt (ich war 17), lernte ich einen Kerl kennen, der mir sehr sypathisch war, und brauchte erstmal eine Weile um zu begreifen dass das nicht "nur Freundschaft" ist, weil ich mir ja vorgenommen hatte mich nicht mehr zu verlieben. Mit Daniel war ich dann über fünf Jahre ein Paar. Am Anfang war es für mich der Himmel auf Erden. Wir waren unzertrennlich, zwei Außenseiter gemeinsam gegen den Rest der Welt. Aber wir entwickelten uns in dieser Zeit natürlich beide weiter, und es war nicht mehr alles so rosarot wie am Anfang. Seine Engelsgeduld war irgendwann aufgebraucht - ich habe fast seit Anfang eine chronisch schmerzende Stelle im Intimbereich weswegen ich keinen "normalen" Sex haben kann. Mit der Zeit ist mir auch die Lust auf alles andere immer weiter vergangen, negative Assoziationen sei Dank. Und Daniel kam immer schlechter damit klar.

In unserem fünften Jahr kam noch etwas weiteres hinzu. Ich fühlte mich sehr zu meiner Freundin Anna hingezogen, die nicht nur wunderschön und klug ist sondern auch sehr selbstbewusst. Und stürzte mich in innere Konflikte mit der Frage, ob ich vielleicht eigentlich lesbisch oder zumindest bisexuell bin. Zumal ich mir schon immer lieber Pornos mit Frauen angeschaut hatte als welche mit Männern. Ich traute mich nicht, Daniel davon zu erzählen. Wir waren für alle das perfekte Traumpaar, und ich wollte dieses Bild noch nicht einmal in meinem eigenen Kopf beschädigen. Und verzweifelte über die Vorstellung, dass ich wohl nie erfahren würde wie es wäre, meine Liebe zu Anna ausleben zu können. Sie wusste ja auch nichts davon, aber betrügen wollte ich Daniel sowieso nicht.

Ungefähr zur selben Zeit begann auch meine Freundschaft mit Rafael. Ein Mann, sechs Jahre älter als ich, der optisch gesehen überhaupt nicht mein "Beuteschema" ist, ganz im Gegensatz zu Daniel. Wir wohnten weit entfernt und hatten uns nur zweimal auf einer Veranstaltung getroffen. Ich merkte aber, dass Rafael mir mit seiner ansteckenden Begeisterung gut tat, hatte das Gefühl mit ihm zusammen könnte ich alles schaffen weil er so strahlte vor Energie, und auch mich zum Strahlen brachte. Ich begann, mit ihm zu chatten und wir stellten fest, dass wir sehr ähnliche Interessen und Ansichten haben und ich zu ihm ein tiefes Vertrauen spürte, was deutlich über das hinausging, was ich mit Daniel hatte. Rafael war ein ebenbürtiger Gesprächspartner, mit ihm konnte ich endlich mal diskutieren. Das hatte mir bei Daniel immer gefehlt, er gab zu schnell nach und wollte lieber seine Ruhe haben. Außerdem konnte ich bei Rafael Schwäche zeigen, während ich bei Daniel das Gefühl hatte immer die Starke sein zu müssen.

Obwohl ich mir damals sicher war, dass ich nicht in Rafael verliebt bin, er war schließlich nicht mein Typ und wir waren beide vergeben, habe ich die Tiefe unserer Freundschaft vor Daniel verheimlicht. Ich ahnte instinktiv, dass er wohl allen Grund hatte, eifersüchtig zu sein.

Nach einem halben Jahr intensivem Chatkontakt mit Rafael, fuhr ich wieder mit ihm auf eine Veranstaltung. Diesmal ohne Daniel dabei. Und als ich bei jeder harmlosen Berührung von Rafael ein wohliges Kribbeln im Bauch spürte, konnte ich auch mir selber nichts mehr vormachen und musste mir eingestehen, dass ich doch in Rafael verliebt bin, der kurz darauf auch noch seine andere Beziehung beendete.

Ich fuhr nach Hause und quälte mich wochenlang in innerer Zerrissenheit. Ich telefonierte jetzt täglich stundenlang mit Rafael, der die ganze Situation kannte. Ich hatte schonmal von Polyamorie gelesen, und kam schließlich zu dem Schluss, dass ich das versuchen will. Ich trat taktisch und behutsam an Daniel heran und schaffte es, ihn von meiner Absicht zu überzeugen, auch wenn ich später feststellen sollte dass ihn das an den Rand der Verzweiflung trieb.

Nach einer kurzen Zeit, in der ich theoretisch mit beiden Männern zusammen war (Rafael war ja nicht in der Nähe, also hatte das kaum Auswirkung auf meinen Alltag), stellte mich meine Wohn- und Arbeitssituation vor die Frage, ob ich mir wirklich sicher war meine geschäftliche Existenz in Daniels Wohnung aufbauen zu wollen. Ich war mir nicht sicher, und entschied mich dafür, meine Sachen zu packen und zu Rafael zu fahren. Bald fand ich einen neuen Wohnort in seiner Nähe, und der Kontakt zu Daniel brach fast völlig ab. Er war kurze Zeit später schon mit Marie zusammen, und als wir uns das nächste Mal auf einer Veranstaltung trafen hatte ich den Eindruck, dass sie ihm all das bieten konnte was er bei mir vergeblich gesucht hatte. Ich war glücklich mit Rafael, er mit Marie, und alles war gut. Auch wenn Daniel und ich uns nicht in die Augen sehen konnten, aber das war nicht so wichtig.

Anna habe ich übrigens irgendwann durch die Blume auch meine Liebe gestanden, aber weiß bis heute nicht genau wieviel sie für mich empfindet. Sie ist in einer festen, und soweit ich weiß glücklichen, Beziehung mit einem Mann. Wir haben nur noch wenig Kontakt, wegen der Entfernung, und weil es sich irgendwie so ergeben hat. Ich würde mir wünschen, wieder mehr mit ihr zu tun zu haben, und hoffe das wird sich nochmal ergeben. Rafael witzelt zwar immer darüber, dass er dann gerne die Kamera halten möchte wenn wir Sex haben, hat aber nie etwas dagegen gehabt dass ich auch in Anna verliebt bin.

Das ist der erste Teil meiner Geschichte, und wie mein erster Versuch mit Polyamorie sich einfach im Sande verlief.

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